
Dieses Internet (Symbolbild)
Ich bin genervt. Sehr. Von meinem eigenen Berufsstand. Journalisten rennen lieber weg, als sich mit offensichtlichen Problemen auseinander zu setzen.
Alles geht den Bach herunter. Keine Sau kauft mehr Zeitungen. Im Radio wird nur noch Musik gehört. Das Fernsehen steckt voller Trash. Es gibt nur noch Online, Online, Online. Und die Bezahlung: Ein Graus. Ja. Dramatisch ist das. Ausbeutungsmaschine Journalismus. Wie soll das nur weiter gehen mit der schreibenden Zunft?
Ja, das frage ich mich auch. Ich habe aber keine Angst vor einem verblödeten Publikum, sondern vor engstirnigen Journalisten und Verlagsmenschen, die ihre (und damit auch meine) Branche an die Wand fahren. Denn anstatt sich mit dem Medienwandel auseinander zu setzen und die eigenen Softskills darauf auszurichten auch in Zukunft Geld zu verdienen, verkrümeln sich viele Journalisten in einen Jammer-Kokon: „Fotos macht der Fotograf. Ich hab davon keine Ahnung“, „Ach, online werden sowieso nur Titten geklickt“, „Wir müssen uns abgrenzen von den Bloggern. Durch Qualitätssiegel oder so etwas“. Vor allem Printkollegen sind in dieser Disziplin weltklasse.
Und dann entlässt die WAZ erneut Redakteure und schon geht das journalistische Abendland mal wieder unter. Nein, ein Konzern mit Millionengewinnen sollte keine Journalisten entlassen. Keine Frage. Ich mache mir nur Sorgen um viele Redakteure, die ihr Leben lang nichts anderes als Zeitung gemacht haben und es nicht für nötig hielten, sich mit Kameras, Internet und Blogs auseinander zu setzen. Die haben jetzt ein Problem.
Gut. Das ist die ältere Generation, mag man meinen. Journalisten, die in den 70er, 80er und 90ern schon mit dabei waren. Solche, die mit der Rückendeckung einer Millionenauflage schon um zwei Uhr Feierabend machen konnten. Verständlich, dass ein 60-jähriger Lokalreporter in seinen letzten Berufsjahren keine Lust mehr auf dieses Internet hat. Vorher ging es ja auch ohne. Erschreckend finde ich aber, dass viele Nachwuchsjournalisten den älteren Kollegen darin nicht nachstehen. Hitzig wird in Raucherpausen unter Volontären und Praktikanten darüber diskutiert, dass kein Leser, Hörer oder Zuschauer noch Bock auf Qualität hat. RTL sei Schuld. Und, ja, dieses Internet eben. Aber sie wollen schreiben, mehr nicht. Kamera? Mikrofon? Crossmedia? Kein Interesse. Computer stürzen ja sowieso ständig ab (get a mac!).
Kommunikation ist unser Job. Warum in aller Welt versperren wir uns gegen Dinge, die zusätzliche Kommunikation ermöglichen? Weil wir gerne allein gatekeepen wollen? Ganz ehrlich: „An dem Gartentor, das der Journalist einst bewachte, kann ich heute links und rechts vorbei gehen.“ (Guido Baumhauer, Deutsche Welle, Leiter Distribution). Dieses Nörgel-Mindset, diese Angst vor crossmedialem Zeug gipfelt sogar in Spiegel Titelgeschichten, welche die ultimative Vernetzung verteufeln. Überall erreichbar sein. Ständig auf Abruf. Generation Praktikum. Fürchterlich. Bei meinem Vater bin ich solche Skepsis gewohnt – aber er ist Lehrer, kein Journalist.
Ich bin der Überzeugung, dass all die Hasstiraden von Journalisten gegen Smartphones, User Generated Content, Youtube (die Liste lässt sich ewig fortführen) vor allem eins zeigen: Angst. Angst davor, eine Entwicklung verschlafen zu haben und jetzt ohne Skills und Lösung dazustehen. Verlage organisieren in solchen Situationen gerne eine Fortbildung. Dann wird ein junger Typ eingeladen, der den Reportern mal schnell das Internet erklärt. Nach zwei Stunden kommen die Redakteure verwirrt und genervt wieder aus dem Konferenzraum und machen genau das, was sie vorher gemacht haben: Zeitung. Naja, wird hoffentlich wieder vorbei gehen, dieser digitale Quatsch. Das dachte sich auch schon die Musikindustrie vor zehn Jahren.

Eierlegende Wollmilchsau (Symbolbild)
Das Geschrei ist aber groß, wenn Menschen in die Redaktion stoßen, für die Internet so etwas wie Sauerstoff ist. Ich werde nie die Augen eines Redaktionsleiters vergessen, als ich erzählte, dass ich auf dem Termin noch ein Video für Online gedreht habe. Staunen, Stille, zwei Klicks im DPA-Ticker und dann: „Naja, mal schauen, ob der Artikel überhaupt online kommt.“
Es gibt sie nämlich, diese jungen Leute, die das Chaos als Chance verstehen. Solche, die sich ausprobieren, auf die Nase legen aber auf lange Sicht Erfolg haben werden. Solche die wissen, dass sich Journalisten in Zukunft mit allen Distributionswegen auskennen sollten. Ob ich so einer bin? Keine Ahnung. Aber zumindest habe ich keine Angst vorm Scheitern. Aber einer der so jemand ist, Richard Gutjahr, schreibt: „Schreiben, Filmen, Fotografieren, Photoshop, Video-Editing, Coden, das Erstellen von Info-Grafiken, plus Erfahrung mit Sozialen Netzwerken, das ist es, was sich moderne Blatt- und Programmmacher wirklich von ihren Reportern und Redakteuren wünschen.“ Word.
Diese Crossmedia-Mädels und Crossmedia-Jungs sind für viele alteingesessene Redakteure eine Horde Antichristen. Denn sie ersetzen nicht nur einen Job, sondern in Einzelfällen gleich drei: Journalist, Fotograf, Kameramann. Die Konsequenz vieler Medienschaffender ist eine Verteidigungshaltung: Im Großen gibt’s die bei Verlagen (Leistungsschutzrecht) und im Kleinen bei Kollegen-Sticheleien („Hast Du schon mal ein Interview geführt?“).
Noch mal: Es ist scheisse, wenn Jobs wegfallen. Trotzdem muss man sich drauf einstellen, dass der Journalismus von damals nicht der von heute ist und auch nicht künstlich am Leben zu erhalten ist. Oder um es in den Worten meines alten Chefs zu sagen: „Es wird immer Leute geben, die von unten pissen und solche, die wissen, wie es gemacht wird.“
tl;dr: Schreib Dich nicht ab, lern Googlen.